Tuch,
Kurt
(1877-1963)
Tuch, Kurt,
Prof. geb. 27.05.1877 Leipzig, gest. 23.11.1963 Muri/Kanton
Aargau (Schweiz), Maler, Graphiker, Buchillustrator, Kunstgewerbelehrer.
T. fiel bereits in der Volksschule durch sein Zeichentalent
auf und belegte anschließend in der Kunstgewerbeschule
seiner Vaterstadt vier Jahre Grundkurse in Zeichnen und
Lithographie mit dem Schwerpunkt “Künstlerische Gestaltung”.
Gleichzeitig führte er bereits praktische Arbeiten als
Graphiker, Drucker und Notenstecher aus. 1896–98 studierte
er mit Unterstützung des Leipziger Verlegers Meissner
an der Kunstakademie München “reine Malerei”, zeitweilig
bei Max Klinger. 1901–04 folgten Studien in Rom und Paris.
In Rom war er Mitglied eines Künstlerkreises um Klinger
und Otto Greiner. Hier beeindruckten ihn zunächst die
Arbeiten der Impressionisten, und die Bildwelten und Formensprachen
van Goghs und Cézannes. 1905 erhielt T. für sein in Frankreich
gemaltes Bild “Sonntag an der Marne” als erster den von
Klinger gestifteten “Villa- Romana-Preis” des Deutschen
Künstlerbundes, mit dem ein Studienaufenthalt 1905/06
in Florenz verbunden war. T. ließ sich anschließend bis
1912 freischaffend in Berlin nieder, arbeitete vorwiegend
als Buchillustrator, entwarf aber auch Teppiche, Tapeten,
Glasfenster und führte dekorative Arbeiten in Villen aus.
Er trat der Berliner Sezession bei und war Mitglied des
Deutschen Künstlerbundes und des Vereins Deutscher Buchkünstler.
Neben den oben erwähnten Studien der französischen Moderne
beschäftigte er sich mit der Farbenlehre Goethes, setzte
sich gleichzeitig mit den Farbfreiheiten und der Formensprache
der Expressionisten auseinander, die in moderater Weise
bis in die 1930er Jahre auf sein Schaffen einwirkten.
1912 bewarb sich T. an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule
Magdeburg mit Unterstützung des Direktor Rudolf Bosselt
als Nachfolger von Ferdinand Nigg für das Fachgebiet Buchgewerbe
und Textilarbeit/Textilkunst, wurde 1912 als Hilfslehrer,
1914 als beamteter Kunstgewerbelehrer eingestellt und
1921 zum Professor ernannt. T., dem Bosselt einen “delikaten
Farbgeschmack und Sinn für dekorative Wirkung” bescheinigte,
wirkte durch seine künstlerische Großzügigkeit und stilistische
Vielfältigkeit stark auf die gesamte künstlerische Ausrichtung
der Magdeburger Schule ein. In seinem Werk finden sich
neben naturnah ausgeführten ornamentalen und dekorativen
auch stark stilisierte Formen und Illustrationsarbeiten.
Er setzte damit eine modernere und farbenfrohere Richtung
in der Graphik- und Buchkunstausbildung durch. Auch die
Magdeburger Kunstszene besaß in den Jahren vor und nach
dem I. Weltkrieg mit T. eine engagierte Persönlichkeit.
Noch vor seiner Berufung 1912 nach Magdeburg gehörte er
hier zu den Gründungs- und Vorstandsmitgliedern der Börde,
einem Verein der bildenden Künstler und Kunstfreunde.
T.s Bilder dieser Zeit überzeugen durch eine “expressive
Gegenständlichkeit”, die sich vor allem dem expressionistischen
Farbkanon verpflichtet weiß. In den Auseinandersetzungen
zwischen dem Stadtbaurat Bruno Taut und der Kunstgewerbe-
und Handwerkerschule um die Vermittlung von künstlerischem
und kunstgewerblichem Wissen ergriff T. Partei für Direktor
Bosselt und die bisherigen reformerischen Leistungen seiner
Schule. Der Streit löste den Weggang Bosselts aus, auch
T. wurde 1924 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Er zog sich daraufhin als Privatmann in seine bereits
um 1920 erworbene Villa nach Wernigerode zurück. 1930
erfolgte seine Versetzung in den endgültigen Ruhestand.
In Wernigerode entstanden vor allem Landschaftsbilder
von bemerkenswerter Farbigkeit, aber auch farbintensive
Blumenstücke und Porträts von Wernigeröder Persönlichkeiten,
die auf vielbeachteten Ausstellungen präsentiert wurden.
1930 siedelte T. nach Arlesheim bzw. später nach Dornach
(Schweiz) über, war hier als Lehrer am Goetheanum, der
Schule des Anthroposophenzentrums Rudolf Steiners, tätig,
dessen Farbenlehre zunehmenden Einfluß auf seine Malerei
gewann. Neben Landschaften entstanden hier vor allem mit
großer Perfektion gemalte Porträts und Kinderbilder. Sie
erreichten jedoch nicht die in seiner Frühzeit und bis
in die 1930er Jahre gezeigte Originalität, die sich unter
den Anregungen der expressionistischen Avantgarde herausgebildet
hatte. Werke: Kinderreigen mit Tieren, um 1904 (zerstört);
Hafen von Amsterdam, 1917 (Sammlung Heydt, Elberfeld-Wuppertal,
verschollen); Illustrationen zu Heines “Rabbi von Bacherach”,
1913 (Deutsche Bücherei Leipzig); diverse Arbeiten in
den Museen Magdeburg, Bremen, Wuppertal, Halle-Moritzburg
(seit der Aktion “Entartete Kunst” fast alle verschollen).
– Schriften: Taut und die Magdeburger Kunstgewerbeschule,
in: Magdeburgische Zeitung vom 27.01.1924.
Literatur:
Thieme/Becker 33, 470; Jahresberichte der Kunstgewerbe-
und. Handwerkerschule Magdeburg 1910ff.; Eduard Schmid,
K. T. – Zum Tode des Malers, in: National-Zeitung Basel
vom 02.12.1963; Norbert Eisold, Die Kunstgewerbe- und
Handwerkerschule Magdeburg 1793–1963, Kat. Magdeburg 1993;
Gerhard Schneider, K. T. (1877–1963). Entdeckung eines
Malers der realistischen Moderne. Einführungsvortrag anläßlich
der Ausstellungseröffnung in Olpe am 24.11.1996, Ms. 1996;
Rolf Jessewitsch/Gerhard Schneider (Hg.), Verfemt-Vergessen-Wiederentdeckt.
Kunst expressiver Gegenständlichkeit aus der Sammlung
Gerhard Schneider, 1999;Gerd Kley, Der Maler K. T. und
Wernigerode, in: Neue Wernigeröder Zeitung 12, H. 11/12,
2001.
Archivalien:
Bundesarchiv Berlin: R 4901; PA, Abt. X, Fach T, T 195.
Bildquelle: *Sonja T., Hamburg (privat): Selbstporträt.
Ein Gemälde
von Kurt Tuch finden Sie wahrscheinlich hier
Zurück
zur Stichwortliste.
|